"Ich gehe zu keinen größeren Veranstaltungen"
Interview mit Loveparade-Veranstalter Schaller
Stand: 13.07.2011, 02:00 Uhr
Ein Jahr nach dem Unglück auf der Loveparade erzählen Angehörige von Opfern und Verantwortliche in einer WDR-Fernsehdokumentation über ihr Leben. Darunter zum ersten Mal auch Veranstalter Rainer Schaller.
Mit dem WDR Hörfunk sprach er außerdem in einem exklusiven Interview über seine persönliche Aufarbeitung, über die Treffen mit Angehörigen und über Verantwortung.
WDR.de: Herr Schaller, wie haben Sie das Ereignis in den letzten zwölf Monaten versucht zu verarbeiten?
Rainer Schaller: Ich glaube, man kann das nie richtig verarbeiten. Es gibt für mich ein Leben vor der Loveparade und es gibt ein Leben nach der Loveparade. Aber es ist natürlich nichts zu dem, was die Angehörigen der Opfer und die Verletzten heute noch durchmachen müssen. Wir haben natürlich bei uns sehr viel im Team darüber gesprochen, aber, und ich finde das auch sehr wichtig, wir haben auch mit professioneller Hilfe versucht, das Ganze besser zu verarbeiten, zum Beispiel durch die Hilfe eines Seelsorgers.
WDR.de: Am 24. Juli 2011 sind die Geschehnisse genau ein Jahr her, es gibt eine Gedenkveranstaltung in Duisburg - werden Sie teilnehmen?
Schaller: Ich habe mich entschieden, an keinen öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, denn ich möchte nicht provozieren. An dem Tag geht es nicht um mich, sondern es geht an diesem Tag vor allem um die Verletzten und die Angehörigen der Opfer.
WDR.de: Sie haben sich in den letzten Wochen und Monaten auch mit Angehörigen von Verstorbenen und mit Verletzten getroffen. Wie sind diese Treffen verlaufen?
Schaller: Über den Inhalt und den Ort der Treffen möchte ich an dieser Stelle nicht viel sagen. Aber ich stelle mich meiner Verantwortung als Veranstalter und stehe für Gespräche und Treffen zur Verfügung, die natürlich für mich nicht leicht sind.
WDR.de: Was war denn deren, bzw. was war Ihr Anliegen bei diesen Gesprächen?
Schaller: Für mich ist es zunächst einmal wichtig, dass ich meiner Verantwortung nachkomme, denn ohne die Veranstaltung wären diese Menschen auch nicht gestorben. Ich stelle mich bei den Treffen für Fragen von Verletzten oder Angehörigen zur Verfügung und versuche, soweit es mir möglich ist, diese Fragen zu beantworten.
WDR.de: Sind Ihnen diese Treffen schwer gefallen?
Schaller: Ja. Natürlich ist es nicht einfach, diesen Menschen gegenüberzutreten und ich glaube, die richtigen Worte zu finden, ist in diesem Moment fast unmöglich. Ich bin aber auch froh, dass die Verletzten und Angehörigen mich treffen wollen und ich werde auch weiterhin diese Möglichkeit wahrnehmen, wenn es denn gewünscht ist.
WDR.de: Sie haben es in den letzten Monaten immer wieder versprochen, dass Sie sich der Verantwortung stellen werden. Wie genau machen Sie das?
Schaller: Ich habe ja kurz nach dem Unglück mit meiner Versicherung einen Soforthilfe-Fonds eingerichtet, der für schnelle finanzielle Hilfe zur Verfügung steht. Außerdem habe ich in Form eines Kondolenzschreibens an die Angehörigen und Verletzen meine Hilfe angeboten. Mir ist es jetzt vor allem auch wichtig, sich mit den Menschen zu treffen, vor allem auch für Fragen zur Verantwortung zur Verfügung zu stehen. Ich bin auch froh, dass wir es geschafft haben, so schnell eine außergerichtliche Einigung mit der Stadt Duisburg und der Versicherung zu erzielen.
WDR.de: : In unserem letzten Interview haben Sie sich für eine schnelle Aufklärung der Ereignisse ausgesprochen. Haben Sie persönlich den Eindruck, dass die Staatsanwaltschaft schnell genug ermittelt?
Schaller: Da ich ja, wie bekannt ist, nicht beschuldigt wurde, habe ich natürlich auch keinen Einblick in die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft. Deshalb kann ich zu dem momentanen Stand der Dinge nicht viel sagen. Aber ich glaube, dass die Staatsanwaltschaft ihren Ermittlungen nachkommt und hoffe natürlich, dass die Ermittlungen sich nicht zu lange hinziehen, denn auch mir ist es ein Anliegen zu wissen, was genau passiert ist und wer die Schuld dafür zu tragen hat. Das genau können aber natürlich nur die Gerichte klären. Ich finde aber, dass es sehr wichtig ist, genau hinzuschauen. Aus meiner Sicht war die Loveparade keine Naturkatastrophe sondern hier haben Menschen Fehler gemacht. Deshalb sind hier auch Menschen gestorben. Es ist wichtig zu klären, wer hier was falsch gemacht hat. Das kann aber auch nur vor Gericht geklärt werden.
WDR.de: Vor einigen Wochen waren Sie noch einmal in Duisburg und haben auch auf dem ehemaligen Loveparade-Gelände im Tunnel gestanden. Wie war das für Sie?
Schaller: Natürlich war das ein sehr schwerer Gang für mich, aber es steht in keinem Verhältnis zu den Erinnerungen, die die Verletzen und Angehörigen der Opfer hier noch begleiten. Über meine Gefühle, die ich dort erlebt habe, möchte ich hier bitte nicht sprechen, aber ich glaube, es ist auch wichtig, noch einmal vor Ort gewesen zu sein, um auch hier noch einmal meiner Verantwortung als Veranstalter nachzukommen.
WDR.de: Mit welchem Gefühl gehen Sie heute zu Konzerten oder Großveranstaltungen?
Schaller: Ich gehe zu keinen größeren Veranstaltungen und gehe auch so momentan noch nicht sehr häufig aus dem Haus. Die einzige Veranstaltung, zu der ich immer gehe, ist eine berufliche Verpflichtung. Das ist für mich schon sehr schwer, mich in der Öffentlichkeit zu zeigen.
Das Gespräch führte Bernd Dicks.