Sieben Punkte für Gefährdung nach Alkoholgenuss, drei Punkte für Reifen ohne ausreichendes Profil, einen Punkt für Geschwindigkeitsüberschreitungen von über 21 bis 25 Km/h: Mehr als neun Millionen Punktesammler sind in Flensburg eingetragen - jeder dritte deutsche Autofahrer. Insgesamt lagern in den Flensburger Aktenregalen mit den bunten Hängeregistraturen 47 Millionen einzelne Sünden. Stephan Immen vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) in Flensburg sagt: "Es wäre schön, wenn jeder Verkehrsteilnehmer das Verkehrszentralregister nicht als Fluch, sondern als Chance begreifen würde. Letzten Endes dient es nur dem Zweck, den Straßenverkehr für alle Beteiligten sicherer zu machen."
Das Amt versteht sich ausdrücklich als pädagogische Einrichtung, nicht als Strafanstalt. Und KBA-Präsident Ekhard Zinke betont immer wieder, die Punkte hätten einen deutlich höheren erzieherischen Effekt als die Bußgelder, die mit ihnen einhergehen. Geschwindigkeitsüberschreitung ist bei Männern und Frauen das häufigste Delikt; bei den Männern folgt das Fahren unter Alkoholeinfluss an zweiter Stelle, bei den Frauen die Missachtung der Vorfahrt.
Die Deutschen haben wieder Geld für Alkohol
Das Verkehrszentralregister ist ein Wirtschaftswunderkind. Mit dem Reichtum wächst die Motorisierung: 1950 besitzen von 1.000 Menschen elf ein Auto, acht Jahre später sind es 57. Mit dem Verkehr wächst auch die Zahl der Unfälle: 1950 sterben in der BRD 6.000 Menschen im Verkehr, 1956 bereits 14.800. Zudem entdecken die Deutschen nach den harten Kriegsjahren die Lust am Feiern, Geld für Alkohol ist auch vorhanden: Vermehrt setzen sich Fahrer alkoholisiert ans Steuer. Der damalige Bundesverkehrsminister Hans-Christoph Seebohm (CDU) will vor allem Fahrer aus dem Verkehr ziehen, die immer wieder auffällig werden, er nennt sie "Verkehrsrowdys". Er setzt sich gegen zahlreiche Widerstände der Autofahrerlobby durch. Am 16. Juli 1957 beschließt der Bundestag, die Daten von Verkehrssündern zentral zu sammeln – im Verkehrszentralregister (VZR). Gerichte und Straßenverkehrsämter füttern die neue Behörde mit Mitteilungen über Verkehrsstraftaten.
Doch zunächst bleiben die Einträge ohne Konsequenzen. Erst 1974 wird das ausgefeilte Punktesystem eingeführt. "Damals hatte man circa 21.000 Verkehrstote zu beklagen. Von daher war es durchaus sinnvoll dafür zu sorgen, dass sich jeder Verkehrsteilnehmer präventiv verhält, also keine Punkte bekommt", erklärt Stephan Immen vom Kraftfahrt-Bundesamt.
Führerschein künftig weg bei acht statt 18 Punkten?
Im Februar 2012 erklärt der derzeitige Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU): "Das Verkehrszentralregister ist den Menschen irgendwie fremd geworden." Er kündigt eine Reform des Flensburger Punktesystems an, inklusive einiger Umbenennungen: "Aus dem Verkehrszentralregister soll ein Fahreignungsregister werden und aus dem Mehrfachtäterpunktesystem ein Fahreignungsbewertungssystem." Nach Ramsauers Plänen wäre der Führerschein statt bei 18 bereits bei acht Punkten weg. Dafür soll es für die einzelnen Vergehen deutlich weniger Strafpunkte geben, "nämlich entweder einen oder zwei Punkte. Das bisherige System soll also wesentlich übersichtlicher werden."
Nach heftiger Kritik und einer Bürgerbefragung im Internet hat der Minister inzwischen angekündigt, für Straftaten künftig doch drei Punkte vergeben zu wollen, zum Beispiel für unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, Fahren im Vollrausch, unterlassene Hilfeleistung oder schwere Nötigung durch zu dichtes Auffahren. Diese Punkte würden erst in zehn Jahren verjähren. Gegner des Gesetzentwurfs hatten bemängelt, dass sich Verkehrsrowdys bei den niedrigen Punktezahlen sogar ein schweres Vergehen mehr leisten können als bisher. Die nun verschärfte Reform soll vor der Bundestagswahl 2013 in Kraft treten.
Stand: 16.07.2012
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