Bernhard Lotz muss eine Woche lange vor drei Auftragsmördern flüchten. Dabei ist er vertraglich verpflichtet, ständig Kontakt zu den 24 TV-Kameras zu halten. Schafft er es, gewinnt er eine Million Mark.
Das sind die Regeln der Fernsehshow "Das Millionenspiel". Je nachdem, ob Lotz früher oder später stirbt, "erwartet Sie ein umfangreiches Unterhaltungsprogramm mit vielen beliebten Künstlern", betont die Fernsehansagerin.
Am 18. Oktober 1970 sendet der WDR "Das Millionenspiel", zu dem Wolfgang Menge mit Regisseur Tom Toelle das Drehbuch geschrieben hat – und provoziert einen Skandal. Die perfide Spielshow ist eine konkrete Utopie, ein prophetischer Spielfilm, der vom heutigen Fernsehalltag fast eingeholt worden ist.
Visionäre TV-Satire
Im Film kommt alles vor, was vor allem am Privatfernsehen bis heute kritisiert wird: Werbung, die vom Programm kaum zu unterscheiden ist. Oder Quotendruck, der wichtiger ist als Menschlichkeit.
Dieter-Thomas Heck verkörpert den Showmaster Thilo Uhlenhorst. Er trägt viel dazu bei, die Fiktion täuschend echt erscheinen zu lassen: Heck spielt keine Rolle, sondern präsentiert das "Millionenspiel" wie seine "Hitparade".
Alles für die Quote
Im Studio zittert die Mutter des Kandidaten; Straßenumfragen stilisieren die Sendung zum Großereignis; Außenreporter kommentieren die Menschenjagd wie ein Sportereignis; eingestreute Werbespots verkaufen.
Bernhard Lotz (Jörg Pleva), der bereits sechs Folgen überlebt hat, wird in der letzten Sendung von den Killern mit ihrem Chef Dieter Hallervorden über Felder, durch Straßen und Wohnhäuser gejagt. "Nicht durch den Keller, da sind keine Kameras! Wenn er schon draufgehen muss, locken Sie ihn wenigstens ans Fenster", sagt die Regie zum Außenreporter. "Wenn Quote das einzige Regulativ für Fernsehprogramme ist, dann kommt sowas dabei heraus", wird Wolfgang Menge später sagen.
Zuschauer bewerben sich
Nicht alle erkennen die Fiktion. Noch während der laufenden Ausstrahlung melden sich Hunderte von Anrufern, die sich über den Zynismus der Sendung empören – oder sich als Kandidat für die nächste Sendung bewerben. Im "Millionenspiel" schafft es Lotz übrigens bis zum großen Finale ins Fernsehstudio.
Als letzte Herausforderung muss er durch eine 28 Meter lange Röhre mit drei Löchern laufen. Hinter jedem steht einer der drei Killer und gibt einen Schuss ab. Lotz schafft es ins Ziel: angeschossen, völlig entkräftet und um eine Million reicher.
Programmtipps:
Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.
Stichtag am 19.10.2020: Vor 25 Jahren: Start des Satelliten "Astra 1 E"