Euphorie ist gerade in sportlichen Belangen oft ein großes Wort - doch wer aktuell die Begeisterung in Deutschlands westlichster Großstadt Aachen spürt, dem könnte diese Beschreibung fast noch zu wenig sein.
Denn wo sonst vor allem Pferdeliebhaber beim CHIO ihr Zuhause haben, steht aktuell etwas ganz anderes im Fokus: Im nur wenige Meter vom Reitareal entfernten Fußballstadion steigt am Samstag (24.04.2024) rund um das Heimspiel gegen den 1. FC Bocholt die große Aufstiegsparty, wenn die Alemannia nach elf Jahren wieder in den deutschen Profifußball zurückkehrt.
Denn am Freitag unterlag der Verfolger Wuppertaler SV bei Fortuna Köln: Damit können die Aachener nicht mehr eingeholt werden und feierten den Aufstieg in die 3. Liga auf der Couch.
Aachen stellt Zuschauerrekord auf
"Wir freuen uns auf diese Sause", hatte Geschäftsführer Sascha Eller der "Frankfurter Rundschau" in dieser Woche bereits erzählt und betonte, dass beim Aufstieg aus der ungeliebten Regionalliga die Fans "ihren Gefühlen freien Lauf" lassen sollen. Der Tivoli, Heimspielstätte der "Kartoffelkäfer" genannten Aachener, ist seit Wochen ausverkauft. Rund 33.000 Zuschauer wollen sich das Spiel nicht entgehen lassen.
Es wäre ein deutschlandweiter Zuschauerrekord für die vierte Spielklasse. Die bisherige Bestmarke hält ebenfalls Aachen - 2015 kamen rund 30.000 Fans zum Spiel gegen RW Essen. Doch das ist dieses Mal keine Eintagsfliege - die Alemannia ist wieder "in". Schon die letzten Heimspiele waren mit über 26.000 Zuschauern sehr gut besucht. "Zum Glück haben wir ein so großes Stadion", erklärte Eller.
Harte Alemannia-Jahre mit zwei Insolvenzen
Genau dieses Stadion war den Schwarz-Gelben aus dem äußersten Westen jedoch lange zum Verhängnis geworden. In der erfolgreichen Vereinszeit in den 2000er-Jahren hatte der Klub beschlossen, eine neue Arena zu bauen. Doch die Kosten explodierten und sportlich ging es zunehmend bergab. 2012 kam der große Knall: Die Alemannia wurde als Zweitliga-Absteiger nach einem Jahr in der 3. Liga direkt durchgereicht und konnte daraufhin ihre laufenden Finanzen nicht mehr bedienen - die "Kartoffelkäfer" waren plötzlich vom Aussterben bedroht.
Es folgten zähe Jahre im sportlichen Nirgendwo in Liga vier, harte Spielzeiten für Klub und Fans. Das große Interesse am Aachener Fußball war vorerst verflogen. 2017 folgte noch eine zweite Insolvenz. Der Verein mit der so großen Tradition probierte mit durchaus prominenten Namen wie Martin Bader oder Patrick Helmes einen Neuaufbau von kleinauf.
Ohne dabei wirklich erfolgreich zu sein - bis zur letzten Saison wurde man nach der Insolvenz 2017 zweimal Sechster, Vierzehnter, Zwölfter und Achter in der Regionalliga West. Dazu kommt eine abgebrochene Spielzeit aufgrund der Corona-Pandemie.
Aachen verdoppelte den Etat vor der Saison
Erst mit Eller als Geschäftsführer und Heiner Backhaus als Trainer kehrte der Erfolg nun zurück. Der Etat wurde vor der aktuellen Spielzeit verdoppelt. "Wir waren ganz viel unterwegs, um Vertrauen zu schaffen. Wir haben einen großen Angriff gestartet und alles daran gesetzt, endlich aufzusteigen", sagte Eller.
Dabei sah es zu Beginn so aus, als würde sich die nächste mittelmäßige Saison anschließen. Schon nach vier Spieltagen und einem 1:4 bei Rot-Weiß Oberhausen drohte die erneute Tristesse. Fast am Ende der Hinrunde - am 14. Spieltag - verlor Aachen gegen den damaligen Spitzenreiter und kommenden Gegner Bocholt mit 3:0. Aachen war zu diesem Zeitpunkt "nur" Achter und neun Punkte hinter der Spitze zurück.
Alemannia seit November ohne Niederlage
Das schien wie ein Weckruf zu sein - denn seitdem wirkt es fast so, als hätten die "Kartoffelkäfer" neue Flügel bekommen und das Verlieren verlernt. 15 der letzten 16 Partien haben die Schwarz-Gelben in der Regionalliga gewonnen, nur das Remis beim SV Rödinghausen stört die perfekte Bilanz.
Plötzlich sind aus den acht Punkten Rückstand komfortable 14 Zähler Vorsprung geworden. Diese Siegesserie blieb nicht unbemerkt in der Kaiserstadt: Das Interesse an der Alemannia stieg sprunghaft an, viele Fans kehrten plötzlich zurück in die Arena. Allerdings auch ein paar Zweifelhafte, denn in der Fanszene sollen sich wieder Leute aus dem rechtsextremen Spektrum bewegen.