Heute vor allem als Femme des Lettres und Muse bekannter Denker wie Friedrich Nietzsche, Rainer Marie Rilke und Sigmund Freud bekannt, sorgte Lou Andreas-Salomé ihrerzeit mit prägenden Schriften und Romanen für Furore. Die Erzählung "Ruth" von 1895 war da keine Ausnahme: Ihre feinfühlige Beschreibung der Beziehung zwischen einem jungen Mädchen und ihrem Lehrer begeisterte die damalige Leserschaft.
"Ruth" nimmt uns mit in das bürgerliche St. Petersburg des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Erik – ein Mann in den besten Jahren – arbeitet an einer Mädchenschule. Dort fällt ihm die 16-jährige Ruth ins Auge: Die Waise, die bei ihrem Onkel lebt, ist lebhafter, klüger und eigenwilliger als ihre Altersgenossinnen.
Bald gibt Erik ihr Privatstunden und holt das Mädchen in sein Sommerhaus. Dort lebt er mit seiner bettlägerigen Frau Klare-Bel und seinem Sohn Jonas. Im Verlauf des Sommers kommen sich Ruth und Erik immer näher – und haben doch ganz unterschiedliche Erwartungen aneinander.
"Ruth", der zweite Roman der deutsch-russischen Psychoanalytikerin Lou Andreas-Salomé, baut auf realen Erfahrungen der Autorin auf: Auch sie hatte einen charismatischen Hauslehrer, der sich Hals über Kopf in sie verliebte. So beeindruckt die Erzählung mit einem empathischen und fundierten Blick in die Psyche einer Pubertierenden – und fängt das Lebensgefühl des Fin de Siècle auf dem "Außenposten" St. Petersburg mit tiefgründigen Naturbeschreibungen und wachem Blick ein.
Am Tag der Deutschen Einheit lädt Gastgeberin Rebecca Link ein zu einem sinnlichen und spannenden Hörvergnügen in WDR 5 und im Podcast, mit Lesung und Talk. Gast im Studio ist diesmal Mithu Sanyal.
Regie: Annette Kurth
Redaktion: Ruth Dickhoven, Ulla Illerhaus und Michael Reinartz