Stadt Köln wird Mietwucher vorgeworfen

Lokalzeit aus Köln 28.02.2024 03:15 Min. Verfügbar bis 28.02.2026 WDR Von Jochen Hilgers

Geflüchtete in Köln beklagen Mietwucher

Stand: 29.02.2024, 19:18 Uhr

Geflüchtete in Köln, die einer regulären Arbeit nachgehen, schlagen Alarm: Sie sehen sich plötzlich mit horrenden Kosten für ihre Unterbringung konfrontiert.

Von Jochen Hilgers

Für ihre zumeist bescheidenen Wohnungen in teils miserablem Zustand werden plötzlich so hohe Mieten wie in den Luxusvierteln Marienburg oder Junkersdorf verlangt. Die Betroffenen, aber auch Flüchtlingshelfer wollen sich jetzt wehren. 

Die Unterbringungskosten heißen in der Fachsprache "Nutzungsentgelt" und nicht "Mieten". Das Geld müssen die arbeitenden Geflüchteten an die Stadt entrichten. Die Nutzungsentgelte sind teilweise so hoch, dass sich das Arbeiten für sie kaum noch - oder gar nicht mehr lohnt.

80 Quadratmeter für 1.500 Euro

Auch der Syrer Ibrahim Aibchacho und sein Nachbar, der Bosnier Mustafa Driton, erleben das. Beide wohnen mit ihren Familien seit einigen Jahren in einer städtischen Unterkunft in Köln-Dünnwald. Die Wohnungen sind rund 80 Quadratmeter groß. Die Aibchachos sind zu sechst, die Dritons zu fünft.  Bis Ende 2023 zahlten sie rund 880 Euro für ihre Wohnung - jetzt sind es fast 1.500 Euro.

Zwei Familien - ein Schicksal

Die 12-jährige Rimass Aibchacho zeigt uns, wo sie mit ihrem kleinen Bruder Miran, zwei weiteren Geschwistern und den Eltern seit sieben Jahren wohnt. Im Badezimmer gibt es Schimmel. Noch dazu ist es so eng, dass die Badezimmertür nicht schließt - die Waschmaschine ist im Weg. Es gibt nur eine einzige Toilette. Dafür zahlt der Familienvater, der als LKW-Fahrer arbeitet, seit Anfang des Jahres rund 20 Euro pro Quadratmeter. Ibrahim Aibchacho und sein Nachbar aus Bosnien kommen jeweils auf etwas über 2.000 Euro netto im MonatDazu kommt das KindergeldDurch die hohen Wohnkosten geraten die beiden nun in eine Schuldenfalle. Mehr als 70 Prozent ihres Lohns gehen für die Miete drauf.

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WDR Studios NRW 28.02.2024 00:44 Min. Verfügbar bis 27.02.2026 WDR Online


Mietwucher bei Peter Okeke

Peter Okeke erlebt Ähnliches: Der Nigerianer wohnt zu zweit in einem Ein-Zimmer-Appartement mit Gemeinschaftsbad und Küche. Erst zahlte er 100 Euro, dann 220 Euro und seit Anfang des Jahres 678 Euro. Peter arbeitet als Haushelfer und ist fassungslos: "678 Euro für ein Zimmer von gerade mal 15 Quadratmetern, in dem zwei Menschen leben", sagt er uns, "das ist unkomfortabel und unbequem. Wir haben natürlich versucht, uns darüber zu beschweren. Bis heute kam keine Antwort." Peter Okeke ist frustriert. Dennoch will er weiter arbeiten gehen. 

Sozialdezernent: "Mir sind die Hände gebunden"

Warum werden arbeitende Geflüchtete gegenüber arbeitslosen so krass benachteiligt?, fragen wir Kölns Sozialdezernenten Harald Rau. Die Unterbringungskosten für Geflüchtete seien hoch, sagt er. Das läge an der kurzfristigen Anschaffung, der möglichen Bewachung und hohen weiteren laufenden Kosten. Die Stadt werde gesetzlich gezwungen, diese Kosten wieder reinzuholen. Daher habe man die sogenannten Nutzungsentgelte am 1. Januar dieses Jahres drastisch erhöhen müssen.

Bei arbeitslosen Geflüchteten zahlt das Jobcenter die Nutzungsgebühr, sprich Miete. Den größten Teil holt sich das Jobcenter anschließend beim Bund zurück. Das geht bei den arbeitenden Geflüchteten nicht. Sie müssen selbst für die Wohnkosten aufkommen. Sozialdezernent Rau beteuert: "Mir sind die Hände gebunden."

Flüchtlingshelfer und Betroffene wollen nun gegen die neue Nutzungsverordnung klagen.

Unsere Quellen:

  • Reporter vor Ort
  • Stadt Köln

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