Weitere Durchsuchungen nach Razzia gegen Schleuser:innenkriminalität

Lokalzeit aus Aachen 18.04.2024 28:42 Min. Verfügbar bis 18.04.2026 WDR Von Michael Esser

Großeinsatz gegen Schleuserkriminalität - weitere Durchsuchungen auch in NRW

Stand: 19.04.2024, 17:35 Uhr

Bei einem Großeinsatz gegen die organisierte Schleuserkriminalität hat es am am Donnerstag weitere Durchsuchungen in acht Bundesländern gegeben - unter anderem in NRW. Am Mittwoch hatte die bundesweite Aktion begonnen.

Die am Donnerstag durchsuchten Wohnungen befanden sich in Bergheim, Bonn, Düren, Düsseldorf, Frechen, Hürtgenwald, Inden, Jülich, Kerpen, Köln, Kaarst, Linnich, Meerbusch, Merzenich, Mülheim an der Ruhr, Ratingen, Solingen und Swisttal. Eindeutiger Schwerpunkt sei der Raum Düren, so ein Sprecher der Bundespolizei. In einer Straße in der Innenstadt von Düren durchsuchte die Polizei nach Beobachtung eines dpa-Reporters Wohnungen in mehreren nebeneinander liegenden Häusern.

600 Beamte durchsuchen am Donnerstag 116 Objekte

Etwa 600 Beamte von Bundespolizei und Staatsanwaltschaft waren am Donnerstag im Einsatz und durchsuchten seit 6 Uhr morgens insgesamt 116 Objekte. Die Beschuldigten sollen einer internationalen Schleuserbande angehören. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf berichtete am Mittwoch, dass sie 38 mutmaßliche Bandenmitglieder im Visier habe, dazu 146 Personen, die geschleust worden sein sollen.

Wohlhabende Ausländer angeworben

Hauptbeschuldigte sind zwei Rechtsanwälte im Alter von 42 und 46 Jahren aus dem Kölner Raum. Sie sollen über ein sogenanntes "Residenz-Programm" im Internet wohlhabende ausländische Staatsangehörige überwiegend aus China und dem arabischen Raum, aber auch aus Südafrika und Indien, angeworben haben.

Mit der Aussicht auf eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis sollen die Geschleusten zwischen 30.000 und 360.000 Euro an die Kanzleien gezahlt haben. Da angestellte Fachkräfte aus dem Ausland in Deutschland eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung erhalten, sollen die Beschuldigten Scheinfirmen gegründet haben, um die Geschleusten zum Schein einstellen zu können.

Außerdem stehen sie im Verdacht, mit den Geldern angebliche Wohnsitze finanziert und vermeintliche Lohnzahlungen fingiert zu haben.

Erste Hinweise schon 2016

Die Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft Düsseldorf zur Schleuserkriminalität

Der ermittlungsleitende Staatsanwalt Hendrik Timmer (Mitte) berichtet über Ermittlungserfolge.

Das Einschleusen von reichen Ausländern nach Deutschland lief nach Erkenntnissen der Ermittler schon über mehrere Jahre. Auslöser für die Ermittlungen seien ein Hinweis des deutschen Konsulats im chinesischen Kanton sowie zahlreiche Geldwäsche-Verdachtsanzeigen durch Banken gewesen. Die Ermittlungen seien 2020 aufgenommen worden, aber die Taten seien teilweise schon in den Jahren 2016 und 2017 verübt worden, berichtete die Staatsanwaltschaft Düsseldorf am Mittwoch.

Umfangreiche Durchsuchungen

Über 1.000 Beamtinnen und Beamte der Bundespolizei und der Staatsanwaltschaft hatten am Mittwoch 101 Wohn- und Geschäftsräume durchsucht, darunter auch zwei Rechtsanwaltskanzleien und zwei Burgen in der Eifel.

Wie die Bundespolizei mittlerweile mitgeteilt hat, gab es in NRW Durchsuchungen in Aachen, Bergheim, Bergisch Gladbach, Düren, Düsseldorf, Frechen, Heimbach, Kerpen, Köln, Kreuzau, Pulheim, Ratingen, Roetgen, Siegburg und Solingen.

Frühzeitige Hinweise aus Solingen

In Solingen lag der Schwerpunkt der nächtlichen Fahndung, bestätigte die Staatsanwaltschaft Düsseldorf. Dort wurden 23 Objekte zeitgleich durchsucht. Im Fokus stand das Firmengebäude einer Immobilienfirma im Stadtteil Wald sowie eine benachbarte Villa.

Polizeihund steht an der Leine eines Polizistenauf einer Straße. Im Hintergrund ein Polizeiauto.

Auch Polizeihunde sind im Einsatz

Die Groß-Razzia kam möglicherweise auch durch frühzeitige Hinweise der Stadt Solingen ins Rollen. Das wurde am Freitag bekannt. Die Wirtschaftsförderung dort hatte nach Angaben der Stadt 2018 ein Business-Netzwerk gegründet, an dem die mutmaßlichen Drahtzieher der Schleuserbande maßgeblich beteiligt waren. Schon 2019 habe die Solinger Ausländerbehörde einen Verdacht an die Bundespolizei gemeldet, heißt es aus der Pressestelle der Stadt. Ob und in wieweit die Wirtschaftsförderung über diese Vorwürfe Bescheid wusste, dazu wollte sich die Pressestelle nicht äußern.

Bestechungsgelder ans Ausländeramt

Nach Erkenntnissen der Ermittler sollen in dem Fall nicht unerhebliche Beträge in die Taschen der Beschuldigten geflossen sein. Die Aufenthaltserlaubnisse wurden bei den Ausländerämtern der Städte Kerpen und Solingen sowie des Rhein-Erft-Kreises und des Kreises Düren ausgestellt. Auch deren Räumlichkeiten wurden durchsucht. Unter den zehn Beschuldigten ist auch ein Mitarbeiter des Kreises Düren, der maßgeblich an den Schleusungen beteiligt gewesen sein und dafür Bestechungsgelder erhalten haben soll.

Zudem stellten die Einsatzkräfte Beweismittel und Vermögenswerte sicher, unter anderem etwa 210.000 Euro Bargeld. 269 Bankkonten wurden gesperrt und 31 Grundstücke mit einer Sicherungshypothek belegt.

Suche nach geschleusten Personen läuft

Noch rätseln die Ermittler, wo sich die geschleusten Personen aufhalten. Von einem Großteil fehlt jede Spur. Sollten sie gefunden werden, werde ihre erschlichene Aufenthaltserlaubnis unwirksam, erklärte die Staatsanwaltschaft. Solange sie als Beschuldigte geführt würden und das Strafverfahren laufe, werde die Abschiebung aber ausgesetzt. Die Ermittler erhoffen sich von ihnen noch Zeugenaussagen.

Durchsuchungen auch in anderen Bundesländern

Neben Nordrhein-Westfalen gab es auch Durchsuchungen in Schleswig-Holstein, Hamburg, Berlin, Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern. Offenbar waren bundesweit an vielen Orten Helfer und auch Arbeitgeber beteiligt, die die angeblichen Fachkräfte nach ihrer Einreise beschäftigt haben sollen.

Weitere Durchsuchungen nach Razzia gegen Schleuserkriminalität i

WDR Studios NRW 18.04.2024 00:45 Min. Verfügbar bis 18.04.2026 WDR Online Von Michael Esser


Unsere Quellen:

  • Staatsanwaltschaft Düsseldorf
  • Polizei Köln
  • WDR-Recherchen
  • dpa