Die Illustration zeigt einen renaturierten See in einer alten Tagebau-Grube. Mit Segelboot, schwimmenden Photovoltaikanlagen und Windkraftanlagen im Hintergrund.

Renaturierung

Badeseen statt Mondlandschaften: Ideen für alte Tagebaugruben

Stand: 15.03.2024, 00:00 Von Manuel Lörcher Gedankenspiele

Von Manuel Lörcher

Kommentieren

Bis 2030 will NRW den Kohleabbau beenden. Zurück bleiben dann riesige Tagebaugruben und die bieten jede Menge Potenzial. Das Land plant, die Fläche in ein Naherholungsgebiet zu verwandeln, wo gleichzeitig erneuerbare Energie gewonnen werden kann. Aber es gibt auch kritische Stimmen, die daran zweifeln, dass diese Idee aufgeht.

Was kommt nach dem Kohleausstieg?

Momentan gibt es noch mehre große Braunkohle-Reviere in NRW; die Tagebaue Hambach, Garzweiler und Inden. Dort sind über die Jahre Gruben entstanden, die teilweise mehrere Kilometer breit und mehrere hundert Meter tief sind. Der Kohleabbau dort soll bis 2030 beendet werden. Die Gruben bleiben und könnten – genau wie die angrenzenden Flächen – zukünftig ganz anders genutzt werden.

Wie alte Kohle-Reviere ein neues Leben bekommen, kann man sich in der Nähe von Leipzig anschauen. Heute kann man sich dort erholen, wo früher noch Kohle gefördert wurde. Etwa am "längsten Sandstrand Sachsens" am Cospudener See oder Zeit zwischen Hafen, Campingplatz und Surfschule am Störmthaler See verbringen. Hier findet im Sommer beispielsweise auch das Rock-Festival Highfield statt.

Etwas Ähnliches planen auch das Land NRW und der Energiekonzern RWE. Sie wollen die Gruben der Tagebauten Garzweiler, Inden und Hambach in Seen verwandeln. Der größte, der Hambacher See, hätte riesige Ausmaße: Eine Fläche von etwa 6000 Fußballfeldern und einer Tiefe von bis zu 400 Metern. Er wäre zukünftig Deutschlands zweitgrößer See. Nur der Bodensee ist größer.

Schwimmende Solarkraftwerke

Ein Teil der Fläche des neuen Hambacher Sees ist nach jetziger Planung zur Stromerzeugung vorgesehen. Genauer gesagt, sollen auf ihm "Floating Photovoltaics" installiert werden. Dies sind schwimmende Photovoltaik-Kraftwerke, die auf dem See auf Schwimmkörpern installiert werden.

Damit sie nicht von Wind und Wellen abgetrieben werden können, sollen diese Anlagen am Gewässergrund oder Ufer verankert werden. Der besondere Vorteil schwimmender Solarkraftwerke: Das umgebende Wasser kühlt die Anlagen und so können sie nach Angaben des Fraunhofer-Instituts mehr Strom erzeugen als vergleichbare, konventionelle PV-Anlagen an Land.

Die Illustration zeigt einen renaturierten See in einer alten Tagebau-Grube. Mit Segelboot, schwimmenden Photovoltaikanlagen und Windkraftanlagen im Hintergrund.

Neuartige Seilbahn als Verkehrsmittel

Am Rande des Tagebaus Hambach erhebt sich die Abraumhalde "Sophienhöhe". Um diese touristisch noch weiter zu erschließen, plant RWE, dort eine Seilbahn zu bauen. Sie könnte die Ortschaften Jülich und Elsdorf mit der Sophienhöhe und dem Seeufer verbinden und das Gebiet so attraktiver für Ausflüge machen.

Wie realistisch sind die Pläne?

Zum Befüllen der Seen plant die RWE eine Wasserleitung vom Rhein bis zu den Tagebaugebieten zu bauen. 40 Jahre soll es dann dauern, bis die Seen vollgelaufen sind. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) bezweifelt dies und geht von einem wesentlich längeren Zeitraum aus. Ein Argument: Wenn durch den Klimawandel der Rhein in den Sommermonaten immer weniger Wasser führt, dauere auch die Befüllung wesentlich länger. Dann könnten Naherholungsgebiet und Stromerzeugung verzögert werden.

Ein weiteres Problem könnten, laut BUND, Mineralien im Boden sein, die in Verbindung mit Wasser Säuren bilden. Der zukünftige See könnte damit einen sehr sauren pH-Wert bekommen. In diesem Wasser könnten nur wenige Tiere und Fische überleben. Die Ideen von Badebuchten und einem Naturparadies sähen schön auf dem Papier aus, seien aber unrealistisch, so der BUND.

Alternativ-Szenario: Die Natur sich selbst überlassen

Neben all der Planung für mehr Tourismus und Energieerzeugung machen Naturschützer:innen vom BUND und anderen Verbänden den Vorschlag, einfach nichts zu tun. Denn ein saurer See mit enormer Tiefe sei kein guter Lebensraum.

Stattdessen könnten Flachwasser- und Feuchtgebiete entstehen, in denen bedrohte Vogelarten brüten könnten. Vorausgesetzt, man überlässt die Tagebaugruben sich selbst und hält die Uferzonen frei von Bebauung. So beschreibt es Dirk Jansen vom BUND im Interview und drückt dabei seine Begeisterung für das Szenario aus: “Rein ökologisch wäre das am spannendsten“.

Was momentan noch wie eine Mondlandschaft aussieht, könnte so zukünftig ein großes Naturschutzgebiet werden. Dieses könnte mit sanftem Tourismus auch eine Chance für die umliegenden Kommunen sein.

Mehr zum Thema:

Braunkohle-Aus: So können wir die gigantischen Flächen im Rheinland nutzen (quarks.de)
Braunkohleausstieg 2030 im Rheinischen Revier (wirtschaft.nrw)
Schwimmende Photovoltaik (ise.fraunhofer.de)
Hybrides Mobilitätskonzept "upBUS" (upbus.rwth-aachen.de)
Neuland Hambach. Vision von RWE (neuland-hambach.de)
Tagebaurestsee Inden: Mehr Platz für die Natur (bund-nrw.de)

Kommentare zum Thema

Kommentar schreiben

Unsere Netiquette

*Pflichtfelder

Die Kommentartexte sind auf 1.000 Zeichen beschränkt!

Noch keine Kommentare