Dortmunder Entsorgungsfirma Envio unter Druck
Geringe PCB-Belastung bei Nachbar-Firmen
Stand: 06.07.2010, 14:16 Uhr
Im Dortmunder PCB-Skandal um die Firma Envio liegen Ergebnisse von neuen Bluttests vor. Demnach sind die Mitarbeiter von Nachbar-Unternehmen bei weitem nicht so stark belastet wie die bereits vorher getesteten Envio-Beschäftigten.
"Die meisten Werte der neuen Untersuchung liegen im Normalbereich", sagte Annette Düsterhaus, Leiterin des Dortmunder Gesundheitsamtes, am Dienstag (06.07.2010) bei der Vorstellung des vorläufigen Ergebnisses. "Das ist kein Grund erleichtert zu sein, aber aufatmen können wir doch." Düsterhaus geht davon aus, dass für die Allgemeinbevölkerung in der Dortmunder Nordstadt keine Gefahr bestehe. Die Details der aktuellen Teiluntersuchung gibt die Stadt Dortmund noch nicht bekannt, da zunächst die Mitarbeiter selbst informiert werden sollen. Geplant ist, dass sie am Freitag von dem Testergebnis erfahren. Zunächst wird jedoch am Mittwoch eine Expertenrunde die Blutergebnisse noch einmal bewerten.
Getestet wurden bei der aktuellen Bluttest 105 Mitarbeiter von Firmen, die auf dem Envio-Gelände im Dortmunder Hafen tätig waren. Sie arbeiteten entweder in den gleichen Hallen wie die Envio-Beschäftigten, auf dem Außengelände oder in Büros. Die restlichen 200 Mitarbeiter von den insgesamt zwölf betroffenen Fremdfirmen warten noch auf ihre Untersuchungsergebnisse. Mit den Ergebnissen der 200 getesteten Anwohner wird erst nach den Sommerferien gerechnet.
25.000-fach erhöhte Werte
Zuvor waren bei rund 30 Envio-Mitarbeitern erhöhte PCB-Werte gemessen worden. Aus Sicht von Experten rund um Professor Michael Wilhelm von der Ruhr-Uni Bochum ist dies aller Wahrscheinlichkeit nach die Folge einer jahrelangen Belastung am Arbeitsplatz. Spätere gesundheitliche Auswirkungen seien deshalb nicht auszuschließen. "Beim PCB gibt es keine offiziellen Grenzwerte", sagt Jörg Linden von der Bezirksregierung Arnsberg, "sondern nur einen Referenzwert, der die durchschnittliche PCB-Belastung der deutschen Bevölkerung zeigt". Das sei bei einer unbelasteten Person, die beruflich nichts mit PCB zu tun hat, 0,01 Milligramm PCB pro Liter Blut. Der höchste Wert bei einem Envio-Mitarbeiter lag bei 250 Milligramm - das ist das 25.000-fache.
Weiter unter ärztlicher Kontrolle
Ende Juni wurden die Mitarbeiter von "Envio" über die zum Teil dramatisch erhöhten Werte informiert. Ihr Blut wird nun außerdem noch auf weitere giftige Chemikalien (Dioxine und Furane) untersucht. Nach Angaben der Bezirksregierung sollen die Betroffenen auch in den kommenden Jahren weiter unter ärztlicher Kontrolle stehen. "Die Envio-Mitarbeiter sind zwar nicht krank, sie müssen aber mit dem Risiko leben, dass sie irgendwann einmal erkranken können", sagt er. Gegen PCB im Körper gibt es keine medizinische Behandlung und es baut sich nur sehr langsam im Körper ab.
Staub- und Kehrproben
Anfang Mai 2010 war auf dem Firmengelände ein belasteter Transformator in einer Halle gefunden worden war, in der eigentlich nur aufbereitete Materialien gelagert werden sollen. Im April 2010 hatte das Landesumweltamt Staub- und Kehrproben genommen. Nach Angaben von Eberhard Jacobs vom Landesumweltamt waren diese Proben nicht nur hoch mit PCB, sondern auch mit Furanen und Dioxinen belastet. Später wurden dann auch auf dem Freigelände der Firma erhöhte PCB-Konzentrationen festgestellt. Ende Mai hatte die Bezirksregierung Arnsberg dann den Betrieb im Dortmunder Hafen komplett geschlossen.
Seit Mai ermittelt die Staatsanwaltschaft Dortmund bereits wegen des Verdachts der vorsätzlichen Luft- und Bodenverunreinigung sowie des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung.
Verunreinigte Materialien exportiert?
Das Unternehmen ist auf die Verwertung und Entsorgung PCB-haltiger Transformatoren spezialisiert. Nach Angaben der Bezirksregierung hatte das Unternehmen von 2006 bis 2010 fast 50 Metallschrott-Abnehmer in Deutschland, Europa und Asien. Ob dabei verunreinigte Materialien geliefert wurden, ist laut Staatsanwaltschaft noch nicht ermittelt.
Polychlorierte Biphenyle (PCB) sind giftige und krebserregende Chlorverbindungen, die auch Hauterkrankungen wie beispielsweise Chlorakne hervorrufen. Die Substanzen wurden in Deutschland 1989 verboten. Bis in die 80er Jahre wurden sie unter anderem in elektrischen Kondensatoren und Hydraulikanlagen verwendet.