Restrukturierung der Landesbank
WestLB verschwindet vom Markt
Stand: 29.06.2012, 00:00 Uhr
Am 30. Juni 2012 schlug der WestLB die letzte Stunde. Die Skandalbank wurde in drei Teile zerschlagen. Damit endet ein unrühmliches Kapitel der deutschen Finanzgeschichte. Das Nachfolgeinstitut Portigon hat die Geschäfte übernommen.
Von Christoph Stehr
Das WestLB-Logo am Hauptgebäude in der Herzogstraße in Düsseldorf ist schon seit einer Woche abmontiert, die Fahnen lagern im Keller. Am Donnerstag (28.06.2012) rückten die Handwerker erneut an, um den Schriftzug "Portigon" an die Fassade zu schrauben und neue Fahnen aufzuhängen. Die Internet-Seite portigon.com wird pünktlich am Sonntag (01.07.2012) freigeschaltet, wenn das Nachfolgeinstitut der WestLB offiziell an den Start geht. Der Name ist neu, sonst bleibt vieles beim alten: der Firmensitz in der Herzogstraße, der Vorstand, sogar die Farbe Blau findet sich im Logo wieder. Das Hauswappen, ein stilisiertes W, wandelt sich zu einem gespaltenen Oval, das wie eine verrutschte Kaffeebohne aussieht.
Die Portigon Financial Services AG, so der vollständige Name, ist Rechtsnachfolgerin der WestLB, aber keine Bank im eigentlichen Sinne. Dafür fehlt ihr die Lizenz der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Portigon führt keine Sparkonten, vergibt keine Kredite und bringt auch nicht Unternehmen an die Börse. Der Schwerpunkt liegt auf "Risikomanagement/Administration" und "Portfoliomanagement". Gemeint sind Serviceleistungen für "richtige" Banken, etwa das Verwalten von Krediten oder das Verfassen von Finanzberichten. Aus der größten deutschen Landesbank, die im globalen Investmentgeschäft mitmischte, wird eine verlängerte Werkbank für die Hausmeisterdienste der Branche.
Vollmundiges Versprechen
"Wir geben unseren Kunden durch unsere Serviceleistungen mehr Freiheit, sich auf ihre Potenziale und Stärken zu konzentrieren", heißt es in einer Präsentation von März 2012, mit der sich Portigon erstmals der Presse vorstellte. Und: "Wir bieten unseren Kunden in unsicheren und sensiblen Zeiten einen sicheren Hafen. Unsere internationale Verankerung und unsere bewährte Kompetenz unterstreicht glaubwürdig unser Leistungsversprechen."
Das hört sich an wie eine strahlende Wiedergeburt nach zehn Jahren Siechtum und Untergang – angefangen von der Boxclever-Pleite 2003 über Fehlspekulationen mit VW-Aktien 2007, Milliardenverlusten in der Finanzkrise 2008, die teure Rettung zu Lasten der Steuerzahler, das von der EU-Kommission angestrengte Beihilfeverfahren, mehrere gescheiterte Fusionsversuche bis zur Zerschlagung der Bank zum 30. Juni 2012.
Kunde im eigenen Haus
Vielleicht steigt wirklich ein Phoenix aus der Asche. "Wir beobachten seit einigen Jahren, dass Banken manche Serviceleistungen auslagern und sich selbst als Vertriebsbanken auf das direkte Kundengeschäft konzentrieren", sagt Andreas Pfingsten vom Institut für Kreditwesen der Universität Münster. "Insofern könnte Portigon durchaus als Dienstleister für Banken erfolgreich sein, muss sich aber einem intensiven Wettbewerb stellen."
Der erste Großauftrag liegt vor: Portigon wird der Ersten Abwicklungsanstalt (EAA) zuarbeiten, die 2009 aus der WestLB herausgelöst wurde, um deren Altlasten, also faule Kredite und sonstige schwerverkäufliche Geldanlagen, bis 2027 zu entsorgen. "Mit der Bad Bank der WestLB ist man sich sozusagen selbst der beste Kunde", meint der Geschäftsführer des Instituts für Kredit- und Finanzwirtschaft an der Ruhr-Universität Bochum, Stefan Stein. Ein Kunde allein bringt Portigon aber noch nicht in die Gewinnzone, zumal das Unternehmen hohe Kosten hat. "Gemessen an der jetzigen Auftragslage dürften die nach derzeitigem Stand 4.200 Vollzeitarbeitsplätze jedenfalls völlig überdimensioniert sein", sagt Stein. "Ob weitere Großaufträge die ab 2016 geplanten 1.000 Mitarbeiter auslasten werden, bleibt abzuwarten."
Von 11.000 auf 1.500 Köpfe
Die EAA ist neben Portigon die zweite Hinterlassenschaft der WestLB. Von den Risikopapieren, die ursprünglich mit 77,5 Milliarden Euro zu Buche schlugen, ist ein Drittel abgebaut. Die dritte Hinterlassenschaft, die so genannte Verbundbank, führt unter dem Dach der Frankfurter Helaba das Geschäft mit den NRW-Sparkassen, mittelständischen Firmenkunden und Kommunen fort. Die 450 Verbundbanker sitzen weiterhin in Düsseldorf.
Um die Jahrtausendwende beschäftigte die WestLB 11.000 Mitarbeiter in aller Welt. Davon sind heute 4.200 in Deutschland und an den wichtigsten internationalen Finanzplätzen übrig. Bis 2016 schrumpft die Zahl auf 1.500 in Deutschland, New York und Asien. Selbst diese Jobs wackeln, weil von den drei Restbanken auch Portigon ein Unternehmen mit aufgedrucktem Verfallsdatum ist - genau wie die EAA. Gemäß den EU-Auflagen muss es spätestens Ende 2016 verkauft oder abgewickelt werden.
Ab 2027, dem Jahr, in dem die EAA ihre letzten Wertpapierbestände abgestoßen haben soll, dürfte endlich Gras über dem WestLB-Grab wachsen. Nach Schätzungen des NRW-Finanzministerium werden die Eigentümer und Bürgen, also der Bund, das Land NRW und die NRW-Sparkassen, bis dahin 18 Milliarden Euro in der Bank verbrannt haben. Ein Gutes kann Experte Stein dem Desaster abgewinnen: Es habe gezeigt, wie wichtig ein gutes Risikomanagement und eine klare Geschäftsstrategie im Bankensektor seien. "Beides war bei der WestLB nicht der Fall. Ist es aber auch nicht bei manch anderem Institut", sagt Stein. "Es ist deshalb gut, wenn die Bankenaufsicht hier näher an die Banken rückt."