Die Geschichte der RAF
"Das Konzept Stadtguerilla"
Stand: 28.04.2007, 00:00 Uhr
Nach 28 Jahren ist die RAF am Ende. Sie hat ihr Ziel, den politischen Umsturz in der Bundesrepublik, nicht erreicht. Auf das Konto der selbst ernannten "Stadtguerilla" gehen 34 Morde. Angefangen hat alles mit zwei Kaufhausbränden.
Von Frank Menke
"Die Illegalität lernt man nur in der Illegalität", gibt Andreas Baader als Parole aus. Am 2. April 1968 ist es soweit. Mit Gudrun Ensslin und zwei weiteren Gesinnungsgenossen legt er in zwei Frankfurter Kaufhäusern Feuer - aus Protest gegen den Vietnamkrieg. Noch entsteht nur Sachschaden. Die Brandstiftung markiert aber den Schritt vom spaßig-anarchistischen Polit-Protest der Studentenbewegung zum politisch motivierten Einsatz von Gewalt der RAF. Er endet im bewaffneten Kampf einer selbsternannten linken "Stadtguerilla" und ihrer Kriegserklärung an den Staat, an das ihr verhasste "Schweinesystem".
Ausbildung im Guerilla-Kampf
Als Geburtsstunde der RAF - von den Behörden auch Baader-Meinhof-Bande genannt - gilt der 14. Mai 1970. Ex-Journalistin Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin und weitere Aktivisten befreien Baader gewaltsam aus der Haft und flüchten nach Jordanien, wo sie von palästinensischen Guerillas im "bewaffneten Kampf" ausgebildet werden. Im April 1971 erscheint die erste RAF-Schrift. Ihr Titel: "Rote Armee Fraktion: Das Konzept Stadtguerilla". Dort heißt es: "Wir behaupten, dass die Organisation von bewaffneten Widerstandsgruppen zu diesem Zeitpunkt in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin richtig ist, möglich ist, gerechtfertigt ist."
"Die herrschende Schicht angreifen"
Erschossen: Jürgen Ponto (l.) und Siegfried Buback
Ziel der RAF ist es, durch systematische Gewalt gegen Repräsentanten von Staat und Wirtschaft die "herrschende Schicht" anzugreifen und die "unterdrückte Klasse" zu mobilisieren. Die Mehrheit der Bevölkerung solidarisiert sich jedoch mit der politischen Führung, nicht mit ihren militanten Gegnern.
Im Sommer 1972 werden mehrere führende RAF-Mitglieder festgenommen. Dazu gehören Baader, Ensslin und Meinhof. Zwei Jahre später führt der Tod von Holger Meins nach einem Hungerstreik der RAF-Häftlinge zu einer Radikalisierung. 1977 geht die so genannte zweite Generation der RAF zur "Offensive 77" über. Generalbundesanwalt Siegfried Buback, Dresdner-Bank-Chef Jürgen Ponto und Arbeitgeber-Präsident Hanns Martin Schleyer gehören zu den Opfern.
1977 eskaliert der Terror
Während des so genannten Deutschen Herbstes wird nicht nur Schleyer entführt, sondern auch eine Urlaubermaschine von einem palästinensischen Kommando gekapert. Auch diese Aktion soll zur Freilassung von elf RAF-Gefangenen führen. Doch die GSG 9 befreit die 86 Passagiere und fünf Besatzungsmitglieder der Lufthansa-Maschine "Landshut". Unmittelbar danach werden die in der JVA Stuttgart-Stammheim inhaftierten RAF-Mitglieder Baader, Ensslin und Raspe tot aufgefunden. Ulrike Meinhof starb schon 1976. In beiden Fällen sind die Todesursachen bis heute Gegenstand von Spekulationen. Die Behörden gingen jeweils von Selbstmord aus, RAF-Anwälte und Sympathisanten sprachen von Mord.
Aussteiger tauchen in der DDR unter
Zerbombt: Wrack der Herrhausen-Limousine
Nach der "Offensive 77" zeigen sich bei der RAF erste Auflösungserscheinungen. Etliche Terroristen tauchen Anfang der 80er Jahre in der DDR unter, werden nach der Wende aber enttarnt und vor Gericht gestellt. Doch die mittlerweile dritte Generation der Terroristen mordet weiter. 1986 wird Siemens-Manager Heinz Beckurts bei einem Bombenanschlag getötet.
1989 sprengt die RAF den Deutsche-Bank-Sprecher Alfred Herrhausen mit seinem Wagen in die Luft. 1991 erschießen Terroristen in Düsseldorf den Treuhand-Chef Detlev-Karsten Rohwedder. Im April 1992 erklärt die RAF ein Ende ihrer Angriffe auf Repräsentanten von Staat und Wirtschaft. Ein knappes Jahr später sprengt ein RAF-Kommando den Gefängnis-Neubau in Weiterstadt (Hessen) in die Luft.
1998 löst sich die RAF auf
Auflösungsschreiben: Das Ende der RAF
1993 gerät die RAF ein weiteres Mal in die Schlagzeilen, als auf dem Bahnhof von Bad Kleinen in Mecklenburg-Vorpommern die Terroristen Wolfgang Grams und Birgit Hogefeld gestellt werden sollen. Der Einsatz gerät zum Fiasko: Grams und ein GSG-9-Beamter sterben bei dem Einsatz, etliche Fahndungspannen kommen ans Tageslicht, Innenminister Rudolf Seiters (CDU) tritt zurück. Doch der gegen "Imperialismus und Monokapitalismus" gerichtete Terror ist ebenfalls am Ende. Im März 1998 erklärt die RAF ihre Auflösung: "Vor 28 Jahren am 14. Mai 1970 entstand aus einer Befreiungsaktion die RAF. Heute beenden wir dieses Projekt. Die Stadtguerilla in Form der RAF ist nun Geschichte." Bei der Auseinandersetzung zwischen RAF und Staat sterben insgesamt 61 Menschen: Die RAF ermordet 34 Personen; in ihren eigenen Reihen sterben 27 Mitglieder.