Interview mit Politikwissenschaftler Korte
"Clement verunsichert die Wähler"
Stand: 21.01.2008, 11:15 Uhr
Wolfgang Clements Kritik an der hessischen SPD-Kandidatin Ypsilanti hat empörte Reaktionen hervorgerufen. Aber was bezweckt der ehemalige NRW -Ministerpräsident? WDR.de hat bei dem Essener Politikwissenschaftler Professor Karl-Rudolf Korte nachgefragt.
WDR.de: Herr Korte, was wollte Clement mit seinen Äußerungen eigentlich erreichen?
Karl-Rudolf Korte: Clement gilt nicht als langfristiger Stratege. Er orientiert sich mehr am Redaktionsschluss der Zeitungen als an perspektivischen Aussagen. Es handelte sich also schlicht um seine Grundeinschätzung zum Kurs der SPD.
WDR.de: Könnte er einfach verschlafen haben, wie brisant so ein Kommentar kurz vor der Wahl ist?
Korte: Nein, das eher nicht. Clement macht solche Äußerungen ständig. Er tritt für die Beibehaltung des Agenda-2010-Kurses ein, damit befindet er sich grundsätzlich im Konflikt mit Frau Ypsilanti. Und schließlich ist er grundsätzlich gegen die Politik der "mitfühlenden Sozialdemokratie" seit dem Hamburger Parteitag. Und das sagt er ganz offen.
WDR.de: Warum gibt es dann jetzt diesen Aufschrei der Entrüstung?
Korte: Das ist nur eine Frage des Timings. Der Beitrag ist zu einem Zeitpunkt erschienen, an dem durch das TV-Duell und die guten Umfragewerte für Frau Ypsilanti die gesamte politische Aufmerksamkeit auf Hessen gerichtet ist. Ansonsten hat er seine seit Jahren bekannte und geradlinige Auffassung zur Energiepolitik geäußert.
WDR.de: Ihm wird trotzdem vorgeworfen, in seiner Funktion als Lobbyist der Energiewirtschaft gehandelt zu haben.
Korte: Clement hat sehr viele Mandate in Aufsichtsräten - wie andere Politiker auch. Ich kann so ein Kalkül nicht erkennen. Ich denke, es handelt sich einfach um seine Meinung.
WDR.de: Mit welchen Auswirkungen auf die Hessen-Wahl rechnen Sie?
Korte: So etwas kann die Wähler verunsichern. Für aktive SPD-Wahlkämpfer wird es nun bestimmt nicht leichter. Aber in welche Richtung es den Wahlausgang beeinflusst - da wage ich noch keine Prognose.
WDR.de: Kann Clements Attacke der Kandidatin vielleicht sogar nutzen?
Korte: Vielleicht. Aber angesichts der vielen Wechselwähler in Hessen ist es fraglich, ob die Auswirkungen noch am Sonntag spürbar sind. Acht Tage sind eine lange Zeit im Wahlkampf.
WDR.de: Peter Struck fordert den Parteiausschluss Clements. Kann es wirklich soweit kommen?
Karl-Rudolf Korte
Korte: Parteiausschlussverfahren sind extrem schwierig und sehr selten - das kann ich mir nicht vorstellen. Außerdem hat die SPD Interesse daran, den konservativen Flügel einzubinden. Eine Partei, die auf Integration aus ist, kann sich so etwas nicht leisten. Und die NRW-SPD hat sehr von Clement profitiert - vor den NRW-Landtagswahlen könnte sich der Landesverband ein Ausschlussverfahren auch taktisch nicht erlauben.
WDR.de: Könnte Clement freiwillig gehen?
Korte: Das kann ich mir nicht vorstellen.
WDR.de: Steht nun eine große Diskussion über die Richtung der SPD an?
Korte: Nein. Aber Clement wird auch viel Zustimmung ernten. Den Hamburger Kurs der SPD, etwas linker und sozial aufgestellt, tragen nicht alle Mitglieder mit. Und bei künftigen Diskussionen wird man sich auf Clement berufen können.
Das Gespräch führte Andreas Poulakos.